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Entspannt am Familientisch

Warum freuen wir uns über den ersten Schrei direkt nach der Geburt eines Babys? Weil wir wissen, das Neugeborene kann selbstständig atmen. Es ist ein lebenswichtiger Reflex um leben zu können. Ohne Atmung, kein Leben.

 

Warum freuen wir uns nicht, wenn unser Kind beginnt selbstbestimmt seine Essensauswahl zu treffen? Auch dieses Verhalten ist ein angeborener, lebensnotwendiger Instinkt!

 

Der menschliche Körper hat im Laufe der Evolution die Mechanismen für ein gesundes Essverhalten perfektioniert. Ist dein Kind emotional stabil, lebt ohne Einfluss von Ernährungsregeln, kann aus einem vielfältigen Angebot an Lebensmitteln frei wählen, dann trifft es ganz individuell die richtige Entscheidung für seine Ernährung. Warum? Weil es auf seine Körpersignale vertraut.

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Doch warum nehmen wir unseren Kindern diese angeborene Kompetenz?

  • Weil wir in einer Gesellschaft leben, in der Lebensmittel als gesund und ungesund eingestuft werden.

  • Weil wir in einem Dschungel an Ernährungsempfehlungen leben, welche morgen bereits wieder revidiert werden.

  • Weil wir aufgrund dieser unzähligen Ernährungsempfehlungen selbst nicht mehr wissen, was uns guttut und was nicht.

 

Natürlich muss man sich dann im außen orientieren und hoffen, dass es endlich einem/r Wissenschaftler/in gelingt, herauszufinden, was denn jetzt tatsächlich „gesund“ ist. Essen ist für uns dann nicht mehr Bauch- sondern Kopfsache!

  • Wir berechnen Kalorien,

  • wir wiegen Speisen ab

  • oder tauschen die herkömmlichen Lebensmittel gegen light Produkte ein.

 

Was passiert? Wir erziehen unsere Kinder dazu, so zu werden wie wir. Weg von unserem Bauchgefühl hin zum (Zer-)Denker beim Essen.

Statt dieses Verhalten an unsere Kinder weiterzugeben, sollten wir sie ermutigen, zu spüren, was ihnen guttut.

Unsere elterliche Aufgabe beim Thema Ernährung ist: Dein Kind darin zu bestärken, seinem inneren Ernährungskompass zu folgen!

Schließe Frieden mit dem Essen

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Es ist wichtig, dass wir uns als Eltern selbst hinterfragen. Wie stehe ich zum Nahrungsmittelangebot? Teile ich mein Essen in „gesund“ und „ungesund“ ein? Wie kommt es dazu, dass ich so darüber denke? Wie habe ich das in meiner Kindheit erlebt?

 

Wenn du dir Gedanken über diese Fragen machst, wird dir wahrscheinlich klarer werden, was die Auslöser dafür sind, warum du deinem Kind beim Essen Regeln überstülpst. Wir haben gelernt, dass Gemüse gesund ist und Süßigkeiten ungesund. Als Mama und Papa will man natürlich das Beste für sein Kind. Darum ist es uns auch so wichtig, dass beim Mittagessen viel vom Gemüse gegessen wird. Doch wenn dein Kind denkt: „Den Brokkoli muss ich essen, weil er gesund ist.“ Es aber spürt, dass ihm Brokkoli nicht guttut, weil es danach Bauchweh bekommt, gerät es unter Druck. Wenn dann noch von uns Eltern hinzugefügt wird: „Wenn du den Brokkoli isst, bekommst du nachher Schokolade.“ Wird es mit Wahrscheinlichkeit den Brokkoli essen um zur verbotenen, ungesunden Schokolade zu kommen. Was passiert? Dein Kind übergeht seine Körperwahrnehmung. Es spürt, wenn ich das esse, tut es mir nicht gut. Jedoch ist das Verlangen nach dem „ungesunden“ Lebensmittel so hoch, dass es dieses Körpersignal übergeht. Und was noch dazu kommt: Das Gemüse wird bei deinem Kind negativ und die Schokolade positiv besetzt werden. Der Brokkoli wird mit Zwang und Druck assoziiert. Der Schokolade werden wohltuende Emotionen beigefügt. Immerhin war es die Belohnung. Das Kind speichert sich ab: Wenn ich etwas geschafft habe, darf ich mich dafür belohnen. Und welche Belohnung hat in mir ein gutes Gefühl ausgelöst? Schokolade. Darum ist es wichtig alle Lebensmittel gleichermaßen neutral zu behandeln. Das gibt deinem Kind die Möglichkeit tatsächlich offen und frei zu entscheiden, was es gerne essen möchte und ob es ihm auch guttut.

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Biete deinem Kind Vielfalt beim Essen an

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Es ist vollkommen normal, dass Kinder sich oftmals einseitig ernähren. Dann kommt es schon vor, dass dein Kind abends nur Käse oder Wurst essen will, ohne Brot, geschweige denn mit Gemüse. Das passiert dann nicht an einem Abend, sondern an vielen weiteren Abenden wieder. Solche Phasen dauern in den meisten Fällen zwischen zwei bis drei Wochen. Kommt natürlich auch darauf an, wie sehr ich mich als Mama oder Papa dagegen auflehne. Akzeptiere ich es, weil ich darauf vertraue, dass mein Kind das isst, was es gerade braucht oder flehe ich es an und hoffe, dass es zumindest ein paar Bissen vom Brot isst. Auch hier bekommen die Lebensmittel und das Verhalten deines Kindes wieder eine besondere Bedeutung. Das Gespür dafür, gerade kein Brot essen zu wollen wird mit dem Druck der Eltern unterdrückt. Der Zugang zur Körperintelligenz verliert immer mehr an Bedeutung. Die Orientierung im Außen wird fokussiert.

Darum empfehle ich den Eltern eine Vielfalt an Lebensmitteln anzubieten. Dein Kind sollte die Möglichkeit haben, aus den Speisen, die es zur gemeinsamen Mahlzeit gibt, auswählen zu können. Gibst du deinem Kind diese Freiheit, förderst du es in seiner natürlichen Ernährungskompetenz. Dann musst du dein Kind nicht bitten und überreden abwechslungsreich zu essen. Wenn dein Kind ohne Druck aus einem vielfältigen Angebot wählen kann, kannst du darauf vertrauen, dass sich dein Kind auf lange Sicht ausgewogen ernähren wird.

 

Muss ich jetzt zu jeder Mahlzeit drei verschiedene Speisen kochen?

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Nein. Die Vielfalt ist wichtig. Jedoch heißt das nicht, dass ich zu jeder Mahlzeit für ein jedes Familienmitglied ein anderes Gericht zubereiten muss. Gibt es beispielsweise ein gebratenes Fleisch mit Reis, Gemüse und Salat kann dein Kind bereits aus vier verschiedenen Lebensmitteln auswählen. Hat man zusätzlich noch etwas Brot oder Gebäck vorrätig, vergrößert sich die Auswahl nochmals. Dann gilt das Prinzip: Jeder isst, was er möchte. An dieser Stelle empfehle ich den Eltern, bitte haltet euch mit Kommentaren zur Essensauswahl eures Kindes zurück. Auch wenn es einem schwer fällt ist es wichtig, dass man es ernst meint und seinem Kind vollkommenes Vertrauen schenkt. Sätze wie: „Bist du dir sicher, dass du kein Gemüse magst“, oder „Nur Brot alleine ist ja kein Mittagessen“, erschweren es den Kindern sich bei der Lebensmittelauswahl wirklich frei zu entscheiden. Dann kann es leicht passieren, dass sie mit Anpassung oder Rebellion reagieren. Sie essen das Gemüse, weil sie merken, wie sehr sich die Eltern das wünschen und das Kind will seinen Eltern eine Freude machen. Oder sie verweigern erst recht das Gemüse, quasi aus Trotz.

Weder Rebellion noch Anpassung sind förderliche am Familientisch, denn auch dadurch verliert dein Kind den Zugang zu seiner Körperintelligenz.  

 

Sollen Kinder nun immer Essen dürfen, wenn sie wollen?

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Im Prinzip ja. Jedoch ist es wichtig, dass die Eltern achtsam bleiben. Hat dein Kind tatsächlich Hunger oder setzt dein Kind Essen aus anderen Gründen ein? Wenn Kinder emotional gefordert werden, kann es passieren, dass sie essen obwohl sie keinen körperlichen Hunger haben. Möglicherweise haben sie gelernt, Essen ist Trost oder Essen ist Belohnung. Was passiert? Sobald dein Kind in eine Situation kommt in der es starken Gefühlen ausgesetzt ist, hat dein Kind unterbewusst abgespeichert, Essen hilft mir. Essen gibt Trost, Essen gibt mir ein wohliges Gefühl. Daher ist es wichtig, zu beobachten, ob dein Kind essen als Ventil für Gefühle heranzieht.

 

Kreativität schafft Neugierde

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Kinder lieben es, Neues zu entdecken. Als Eltern können wir diese Neugierde nutzen indem wir 1-2-mal im Monat beim gemeinsamen Einkauf Lebensmittel mitnehmen an denen man zuvor vorbeigegangen ist. Zu Hause bietet sich die Möglichkeit dieses Lebensmittel gemeinsam zu verkochen und dann auch zu verkosten. Wichtig dabei ist, dass der Fokus weiterhin bei der Neugierde bleibt. Sollte dein Kind ein neues Lebensmittel verweigern obwohl es sich das ausgesucht hat, ist das vollkommen in Ordnung. Es geht darum Neues kennenzulernen und das gelingt nur, wenn dein Kind beim Verkosten bei seiner eigenen Körperwahrnehmung bleiben kann.

 

Ruhe schafft Verbundenheit

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In unserem stressigen Alltag passiert es leicht, dass wir neben dem Essen noch andere Tätigkeiten ausüben. Wir lesen am Smartphone Nachrichten, wir fernsehen oder wir Essen während dem Autofahren. In diesen Momenten fällt es uns schwer, unsere Körperintelligenz wahrzunehmen. Wir spüren weniger die Sättigung oder, ob uns diese Speise wohl bekommt. Wir essen einfach.

Um dein Kind in seiner Körperintelligenz zu fördern, ist es wichtig für Ruhe am Esstisch zu sorgen. Die Spielsachen und das Handy weg und der Fernseher aus. Der Fokus soll beim Essen liegen. Je weniger Außenreize auf dein Kind einströmen, desto besser kann es sich und seine Körpersignale spüren.

 

Authentizität, das A und O am Esstisch

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Es kann einmal vorkommen, dass das gemeinsame Essen am Tisch steht und plötzlich ist bei einem der Familienmitglieder der Hunger weg. Auch das ist völlig in Ordnung. Wichtig ist jedoch, genau das offen und ehrlich anzusprechen. Wenn du als Mutter oder Vater heute keinen Hunger hast, dann iss auch nichts. Verbringe die Zeit gemeinsam bei Tisch, jedoch bleibe auch dir und deinen Körpersignalen treu. Du tust damit nicht nur dir etwas Gutes, du lernst deinem Kind damit auch, dass es völlig normal ist, auch einmal keinen Hunger zu haben. Es lernt, dass es in Ordnung ist auf die eigenen Bedürfnisse zu schauen und, dass es nicht aus Gründen der Höflichkeit oder des Anstands essen muss.

 

Mit diesem Artikel wünsche ich mir, dass ich einen nachhaltigen Denkanstoß bei Eltern, Großeltern und in der Gesellschaft erreicht habe. Der Ansatz des intuitiven Essens bei Kindern ist ein völlig Anderer, als er in den Medien propagiert wird. Wir stärken unsere Kinder, wenn wir sie in ihre eigene Körperintelligenz fördern. Das schafft Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

 

Fühlst du dich von diesem Artikel angesprochen, dann schreibe mir gerne.

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